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Unsere Welt wäre ohne Open Source nicht dieselbe: Die meisten Innovationen der jüngsten Vergangenheit basieren direkt oder indirekt auf der Idee von Open Source – überall, wo heute Software und Rechenchips zum Einsatz kommen, also nahezu in jedem Lebensbereich. Welches Potential bietet Open Source für unsere Gesellschaft und für Unternehmen? Was genau steckt dahinter? Wie gelingt der Einsatz? Und: Kann man damit auch Geld verdienen? Zu Gast: Kian Gould, Gründer und CEO des Wiesbadener Softwareunternehmens AOE, mit 300 Mitarbeitern, die von Open Source-Software leben.
Inhalt der Folge
Relevanz von Open Source
Nicht nur Software und IT bauen auf Open Source auf, sondern auch Pharma- und Biotechnologie, Statistik, die Börse, Wirtschaft, autonomes Fahren und nicht zuletzt Künstliche Intelligenz. All das nutzt Open Source Frameworks oder Open Source-Technologie Software und wird von den beteiligten Akteuren gemeinsam weiterentwickelt. 78% der befragten Unternehmen sagen, dass sie Open Source einsetzen. Hinzu kommen User, die unwissentlich Open Source benutzen, denn Open Source-Software ist in unserem Alltag tief verwurzelt. Jeder nutzt es, ohne eigentlich zu wissen, wo es drinsteckt – beispielsweise im Google Chrome Browser oder in Firefox, wie auch im Android Smartphone-Betriebssystem. Fast jede Website basiert auf mehreren Open-Source Komponenten, die ineinandergreifen, die Datenbank, der Webbrowser oder das Content Management-System. Das bekannteste aktuelle Beispiel, bei dem Open Source etwas mehr in die Öffentlichkeit gedrungen ist, ist die Corona-Warn-App. Sie wurde Open Source zur Verfügung gestellt. Durch die Offenlegung des Quellcodes konnten Kritiker und alle, die Angst hatten, dass über die App Daten gesammelt werden könnten, beruhigt werden.
Wie funktioniert Open Source?
Grundidee
Die Grundidee von Open Source ist es, dass der Quellcode einer Software frei zugänglich im Netz zur Verfügung steht. Normalerweise wird eine Software in einer Programmiersprache programmiert, wodurch der Programmcode, also alle Schritte, die die Software macht, für den Menschen lesbar und schreibbar ist. Damit ein Computer die Software tatsächlich ausführen kann, muss diese Maschinensprache übersetzt werden, das sogenannte Kompilieren. Das Resultat kann schließlich kein Mensch mehr lesen oder verstehen, wohl aber der Computer. Bei proprietärer Software, also Nicht-Open-Source-Software, bekommt man beim Kauf oder Herunterladen nur den Maschinencode, mit dem der Computer die Software ausführen kann. Wenn man sich also beispielsweise Microsoft Windows oder Microsoft Word oder Adobe Photoshop oder irgendein Spiel kauft und herunterlädt, dann bekommt man nur den Maschinencode, den sogenannten Binary Code. Damit kann der Computer die Software ausführen, der Mensch den Code aber nicht lesen oder bearbeiten. Das ist bei Open Source Software fundamental anders. Dort kann jeder die Software verwenden, jeder kann sich den Quellcode herunterladen und ihn durchlesen, verstehen und jeden einzelnen Schritt der Software genau nachvollziehen. Außerdem kann jeder den Quellcode bearbeiten und verbessern, und alle haben das Recht, den Quellcode weiter zu verbreiten.
Lizensierung
Aber wie trägt sich so etwas finanziell? Kann man damit Geld verdienen? Ja, man kann, und man kann noch dazu großen Nutzen daraus ziehen. Hat jeder das Recht zur Weiterverbreitung und Bearbeitung, kann jeder alles damit machen? Ganz so einfach ist es nicht. Die Grundidee von Open Source ist nicht zu verwechseln mit dem Thema Lizensierung. Nur weil jeder eine Software lesen darf, bedeutet das noch nicht, dass jeder damit wirklich alles anstellen darf. Es gibt eine ganze Vielzahl an Open Source-Lizenzen, unter die man dann wiederum seine Open Source Software stellen und die Verwendung, die Bearbeitung, die Weiterverbreitung an gewisse Bedingungen knüpfen kann. Eine große Rolle spielt da zum Beispiel das Copyleft: Wenn eine Open Source Software bearbeitet und die Bearbeitung dann weiterverbreitet wird, darf dies nur unter der Lizenz der Original-Software geschehen. Die berühmteste und auch weltweit verbreitetste Lizenz ist die GPL-Lizenz, unter der 60% der Open Source Software stehen. Man kann also nach einer kleinen Bearbeitung die Software nicht für hohe Lizenzgebühren verkaufen. Denn stellt man seine Open Source Software unter eine Copyleft-Lizenz, muss man seine Bearbeitung auch unter dieselbe Lizenz stellen.
Vorteile von Open Source Software
Innovation
Der wohl wichtigste Vorteil von Open Source ist seine Innovations- und Entwicklungsgeschwindigkeit. Denn die Entwicklungsgeschwindigkeit, die Open Source-Projekte vorlegen, wäre ohne den Open Source-Ansatz und ohne die Community nicht möglich. Bei großen Open Source-Projekten kommt eine globale Community mit unterschiedlichsten Perspektiven zusammen, die die Software für unterschiedlichste Einsatzszenarien verwendet und die Kernsoftware entsprechend weiterentwickelt. Es findet dabei keine redundante Entwicklung von Kernfunktionalitäten statt – sonst das Problem in konkurrierenden Branchen, die ihre Entwicklerkapazitäten völlig darauf ausrichten, selbst die Kernfunktionalität dieser Software zu schaffen. Dabei bleiben nützliche und innovative Features auf der Strecke, weil man sich um die Kernfunktionalitäten kümmern muss.
Community
Ist bei Open Source die Kernfunktionalität einmal geschaffen, kann jeder, der etwas beitragen möchte, darauf aufbauen. Der nächste, der etwas beiträgt, baut wiederum darauf auf. Ohne eine solche Community, ohne Open Source-Gedanke, wären wir heute beim Thema Künstliche Intelligenz und Machine-Learning oder auch beim Thema Cloud-Computing nicht im Ansatz so weit, wie wir es tatsächlich sind. Eines der populärsten Projekte auf GitHub, einer der größten Open Source-Plattformen, ist der Tensorflow oder Kubernetes. Tensureflow ist ein Machine Learning Framework, das auch von Google Source mitentwickelt wird. Kubernetesist ein Programm, das Cloud Computing letztendlich ermöglicht.
Auch Kian Gould, den wir heute interviewen, ist mit seinem Unternehmen in der Open Source Community aktiv und trägt dort gemeinsam mit seinen Mitarbeitern aktiv zur Weiterentwicklung von Open Source Software bei. Er sagt: „In den letzten Jahren kamen viele der größten Innovationen in Magento von uns, weil wir sehr früh Magento in sehr großen Plattformen eingesetzt haben. Wir haben beispielsweise vor einigen Jahren, als der Angry Birds Hype war, diese Plattform auf Basis von Magento gelauncht. Das war damals das erste Portal in einer autoskalierenden Amazon AWS Cloud-Umgebung. Wir haben damals Traffic über diese Plattform abgewickelt, die sonst noch niemand je auf einer Magento-Plattform gesehen hatte. Dadurch haben wir sehr viel gesehen, wo zum Beispiel Performance-Probleme in so einer Technologie sind, die wir dann behoben haben und es wieder in den Kern von Magento zurückgespielt haben. Und jetzt profitiert seit fünf Jahren die gesamte Welt von diesen Verbesserungen.“
Unabhängigkeit
Bei Open Source werden die Entwicklerressourcen deutlich effizienter genutzt, denn nicht jeder kommerzielle Anbieter muss das Rad neu erfinden. Dadurch sind Open Source-Projekte meist günstiger. Aber Open Source Software ist natürlich nicht kostenlos. Denn jemand muss sie ja entwickeln, und letztendlich muss sie auch in den Unternehmen implementiert, angepasst, eingeführt, beraten und geschult werden. Aber Open Source ist günstiger und effizienter als Closed Source Software. Außerdem ist der Nutzer mit Open Source Software unabhängiger, denn wenn er Software von kommerziellen Anbietern einsetzt und dafür viel Geld zahlt, um es einzuführen, auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen und die Mitarbeiter zu schulen, dann ist er abhängig von dieser Software und dem Anbieter. Ein schneller Wechsel des Anbieters und der Software ist mit hohen Kosten verbunden. Doch was passiert, wenn der Anbieter plötzlich nicht mehr kooperiert oder die Funktionen, die der Nutzer benötigt, nicht umsetzt? Was passiert, wenn plötzlich die Preise erhöht werden? Wenn der Anbieter das Produkt einstellt oder das Unternehmen insolvent ist? Das bedeutet viel Ärger, Umstände und finanzielle Einbußen. Bei Open Source Software kann der Nutzer im schlimmsten Fall selbst die Software weiterentwickeln oder Features ergänzen, die ihm fehlen, ohne beim gleichen Dienstleister bleiben zu müssen. Denn auch ein neuer Dienstleister hat Zugriff auf die Open Source Software und kann genau da weitermachen, wo der Vorgänger aufgehört hat. Er kann im Zweifel auch den Quellcode ansehen und die Software entsprechend weiterentwickeln.
Transparenz und Sicherheit
Ein unschlagbarer Vorteil von Open Source Software ist auch deren Transparenz und Sicherheit. Weil jeder Nutzer Einblick in die Software bekommen kann, kann jeder nachvollziehen, was die Software im Hintergrund genau macht, was mit den Daten passiert und ob der Datenschutz beachtet wird. Sicherheitsmängel können sehr viel besser gefunden und oft direkt selbst behoben werden. Genau das hat bei der Corona-Warn-App letztlich dazu geführt, dass sie eine gesellschaftliche Akzeptanz gefunden hat. Nachdem die Bundesregierung entschieden hatte, den Quellcode offenzulegen, konnten unabhängige Organisationen diese Software überprüfen und Zweifel an der Sicherheit und Anonymität der Nutzer, über die Bewegungsprofile, beseitigen. Jeder, der die Programmiersprache versteht, kann also die Corona-App ansehen, nachvollziehen und selbst bewerten, ob sie sicher ist. Das haben viele Leute gemacht, und so wurden dann auf GitHub Tausende Bugs und Verbesserungsvorschläge weltweit eingereicht, die dann dazu beigetragen haben, dass die Corona-Warn-App so veröffentlicht wurde, wie sie jetzt zur Verfügung steht. Wichtig ist deshalb, die Programme regelmäßig upzudaten. An der Universität Bern gibt es regelmäßig eine Studie zum Thema Open Source in Unternehmen. In der letzten Ausgabe der Studie gaben die befragten Unternehmen an, was die wichtigsten Gründe für den Einsatz von Open Source Software in ihrer Organisation sind. Als Top-6-Gründe genannt wurden: Unterstützung von offenen Standards, breit abgestützte Softwarelösungen, die eine hohe Verbreitung haben, eine breite Community für den Wissensaustausch, erhöhte Sicherheit sowie erhöhte Stabilität und Kosteneinsparungen.
Gesellschaftliche Relevanz von Open Source
Die Schweiz als Vorreiter
Wir alle zahlen mit unseren Steuergeldern Millionen und Milliarden an Euros dafür, dass der Staat entweder teure proprietäre Software-Lizenzen einkauft oder Software-Unternehmen beauftragt, die Software für den Staat selbst zu entwickeln, ohne den Quellcode herauszugeben. Das führt zu der absurden Situation, dass jedes Bundesland, jedes EU-Land, jedes Land der Welt mehr oder weniger dieselbe Software selber entwickeln lässt und für die Weiterentwicklung zahlt. Ein Austausch findet dabei nicht wirklich statt. Könnte Software, die von uns allen bezahlt wird, nicht auch grundsätzlich allen zugänglich gemacht werden? Das würde dann automatisch auch bedeuten, dass unterschiedliche Bundesländer oder Länder innerhalb der EU oder auf der ganzen Welt den Quellcode der jeweils anderen nutzen und weiterentwickeln und so gegenseitig aufeinander aufbauen könnten. Das führt zu einer viel höheren Entwicklungsgeschwindigkeit und niedrigeren Kosten. Vorbild dafür kann die Schweiz sein, die in dieser Hinsicht schon ein bisschen weiter und aktiver ist. Software-Projekte wie beispielsweise Swiss Topol, Meteo Schweiz oder die Software der Schweizer Arbeitslosenversicherung, der Auftragsvergabe oder des Kinderfürsorgegeldes sind von der Schweiz in Auftrag gegeben worden und stehen Open Source, kostenlos und für jeden einsehbar zur Verfügung.
Nachhaltigkeit
Open Source ist darüber hinaus ein gesellschaftliches Thema, denn sehr viele Menschen haben smarte Hardware zu Hause, von Glühbirnen über smarte Steckdosen hin zu Fitnessuhren. Was würde passieren, wenn der Hersteller eines solchen Gerätes – das ja nur funktioniert, wenn es im ständigen Austausch mit dem Server des Herstellers steht – pleitegeht? Dann hat man plötzlich ein sogenanntes gebricktes Gerät, das einfach nicht mehr funktionstauglich ist. Würde der Quellcode Open Source zur Verfügung stehen, könnte die Community, jemand anderes oder jeder selbst den Betrieb der eigenen gekauften Geräte weiterhin sicherstellen. So könnten Tonnen an Elektro- und Plastikschrott vermieden werden.
Der Blick der Millennials auf Open Source
Nach all dem, was wir bislang über Open Source besprochen haben, ist eigentlich fast schon selbstverständlich, wieso die digitale Generation Open Source unterstützt. Open Source spiegelt das Lebensgefühl der digitalen Generation wider. Die Millennials sind in einer Welt mit Wikipedia aufgewachsen, sie glauben an die Intelligenz der Vielen und die Leistungsfähigkeit, die durch Kollaboration entsteht. In der letzten Folge des Podcasts haben wir über Purpose gesprochen, darüber, wie wichtig den Millennials Sinnhaftigkeit im Arbeitsleben ist. Mit einer mehr oder weniger großen Community, mit dem großen Ökosystem gemeinsam daran zu arbeiten, das Weltwissen weiterzuentwickeln, ein Stück Software zu kreieren, zu integrieren oder zu konsumieren, die gegebenenfalls von der ganzen Welt eingesetzt oder als Basis genutzt wird, um darauf aufbauend wiederum weitere Innovationen zu generieren.
Auch spricht die digitale Generation für Open Source als nachhaltiges Prinzip. Denn mit Open Source Software kann vermieden werden, dass plötzlich gebrickte Geräte zu Hause liegen oder der Staat Unmengen an Steuergeldern für Software verschwendet, die dann nicht weiterentwickelt werden.
Wie funktioniert Open Source im Unternehmen?
Hierzu haben wir mit Kian Gould gesprochen. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens AOE, das E-Commerce und Travel Retail Software entwickelt, überwiegend auf der Basis von Open Source. Davon leben 300 Mitarbeiter in fünf Ländern.
Philipp Riederle: Euer Unternehmen kommt mit Open Source Software in unterschiedlichen Rollen in Berührung, als Anwender oder Dienstleister, der Service in Bezug auf Open Source Software anbietet, oder ihr seid selber Entwickler von Open Source Software. Insbesondere bei Letzterem stellt sich natürlich die Frage, wie kann man mit Software, bei der der Quellcode kostenlos im Netz zur Verfügung steht, Geld verdienen? Ein Ansatz ist es zum Beispiel, dass die Software als Software as a Service Subscription-Modell angeboten wird wie bei jedem anderen kommerziellen Anbieter auch und sich Interessierte den Quellcode runterladen können. Doch für Unternehmen wird es immer sinnvoller sein, die Subskriptionsvariante von eurem Unternehmen einzukaufen, denn so ist der sichere Betrieb gewährleistet, das Einspielen von Updates, und dass alles stabil läuft. Damit eng zusammen hängt auch die Möglichkeit, kommerzielle Dienstleistungen rund um die Software zu verkaufen, also Beratung, Integration, Konsum, Customer Support, Schulungen oder der Verkauf von proprietären Erweiterungen. Das heißt, die Funktionalität gibt es bei Open Source kostenlos, doch für erweiterte Funktionalitäten muss letztendlich bezahlt werden.
Ein interessantes Konzept wird von der Lernplattform Moodle angeboten. Moodle verkauft Zertifikate zur Marken-Benutzung. Das heißt grundsätzlich, die E-Learning Software Moodle ist Open Source und frei, aber ein Netzwerk an Vertriebspartnern wird zertifiziert, im Namen von Moodle aufzutreten und das Logo zu verwenden und es so in Unternehmen und Universitäten einzuführen. Diese Zertifizierung stellt sicher, dass ein gewisser Teil der Einnahmen dieser zertifizierten Unternehmen an den Moodle Trust, also an das Kernteam, zurückgeführt wird, die dann die Anwendung weiterentwickeln. Wenn ihr im Unternehmen Open Source Software einsetzt, dann solltet ihr euch auch dringend um die Wartung und die Betreuung und das Management dieser Software kümmern.
Kian, was sagst du zum professionellen Einsatz von Open-Source Software? Was gehört dazu?
Kian Gould: Das ist das große Risiko, dass es möglich ist, einfach Sachen auszuprobieren und selber einzusetzen. Deswegen müssen Unternehmen damit auch sehr verantwortungsvoll umgehen und nicht denken, dass nur, weil man das selber installieren kann, man auch in der Lage ist, das System sicher zu betreiben. Dafür gibt es Anbieter und Dienstleister, die sich darum kümmern. Wir haben analysiert, dass immer, wenn eine Sicherheitslücke herauskam, wir eine Woche später geguckt haben, welche dieser 150.000 Webseiten hat eigentlich diesen Patch schon eingespielt? Und das war immer nur eine sehr geringe Anzahl. Das wird in IT-Departments oft unterschätzt. Sie sagen ja, wir könnten jetzt eine Million ausgeben für eine Lösung, oder wir machen das einfach selber mit Open Source, was normalerweise deutlich sicherer ist als proprietäre Software. Aber bei proprietärer Software schaut der Hersteller eben jeden Tag drauf.
Philipp Riederle: Die ganzen Vorteile von Open Source Software kommen ja insbesondere zum Tragen, wenn bei dem Projekt eine Community mit involviert ist, die die Entwicklung aktiv vorantreibt. Aber so eine Community ist ja nicht automatisch da, wenn man Open Source irgendwas hochlädt. Wie funktioniert das denn, so eine Community aufzubauen?
Kian Gould: Was wir gelernt haben: Ich war lange bei TYPO3 im Vorstand. Wir haben immer geschaut, wie wir eine Community aufbauen können, die Leute motiviert. Und natürlich muss man, wenn ich ein Hersteller bin, wie z.B. Magento, auch Geld reinstecken, diese Community zu pflegen. Ich kann nicht einfach nur hoffen, dass die Community sich selbst organisiert, sondern ich muss Leute haben, die ich bezahle, die sich darum kümmern, die Events zu organisieren. Die Community Ambassadors sind beispielsweise die, die auch einen hohen Sympathiefaktor in der Community haben. Das ist alles sehr wichtig, wenn man nicht am Ende irgendwo in der GitHub rumdümpeln möchte.
Philipp Riederle: Euer Unternehmen engagiert sich ja auch in der Open Source Community, indem es zum Beispiel auch Magento weiterentwickelt. Aber was motiviert denn deiner Erfahrung nach Freiwillige, in ihrer Freizeit Tag und Nacht Open Source Software zu entwickeln, wenn sie dafür nicht bezahlt werden?
Kian Gould: Ein Grund dafür ist der Personal Itch, also dass es einem in den Fingern kribbelt. Viele wollen etwas erreichen, was probieren, wollen neue Dinge machen. Für diese Menschen ist das wirklich ein Hobby. Ein anderer Aspekt ist, dass eine Open Source Community auch einen gewissen Profilierungsfaktor hat. Ich habe hier etwas Tolles gemacht, was die ganze Welt nutzt. Dafür bekommen sie Anerkennung von den anderen Entwicklern, was sie motiviert. Was wir sehr stark gemerkt haben, ist, dass Menschen gerne Dinge zusammen machen wollen. Deswegen haben wir sehr viel Wert darauf gelegt, auch Community Events zu machen. Wir sind mit der TYPO3 Community jedes Jahr in den Alpen snowboarden gegangen, wir haben jedes Jahr Developer Days gemacht und eine Konferenz veranstaltet und sind bis hin zu tausend Leuten gewachsen. Das ist, was eine Community zusammenschweißt.
Philipp Riederle: Wir sehen also, der Einsatz und die Mitwirkung an Open Source-Projekten lohnt sich tatsächlich auch für Unternehmen.
3 Tipps für Open Source
- Versucht, wann immer es möglich ist, im Unternehmen Open Source Software einzusetzen! Ihr werdet davon auf jeden Fall profitieren, egal ob ihr einfach nur die Software anwendet oder ob ihr selbst etwas entwickelt, was wiederum auf Open Source Software aufbaut.
- Ruht euch nicht auf der kostenlosen Verfügbarkeit aus, sondern managt diesen Einsatz auch professionell!
- Liebt den Community-Gedanken! Stellt eure Weiterentwicklung, Anpassungen, eure Individualisierung auch wiederum der Open Source Community zur Verfügung. Denkt auch daran, das Kernentwicklerteam, den Core der Software auch finanziell für seine Arbeit zu unterstützen und somit die Weiterentwicklung voranzutreiben.
Heute ausnahmsweise noch ein vierter Tipp:
- Die Grundidee von Open Source hat hohe gesellschaftliche Relevanz. Also sprecht mit eurem Umfeld über die Idee von Open Source und welche gesellschaftlichen Probleme sich damit lösen oder lindern lassen würden. Oder setzt euch sogar politisch dafür ein, Open Source Software zum Standard für steuerfinanzierte Software zu machen. Bei der Initiative eu könnt ihr den offenen Brief unterzeichnen oder euren lokal zuständigen Abgeordneten direkt über diese Seite auf Open Source aufmerksam machen.